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Logbuch Zweite Reise Die dunklen Stunden Tag 13

  • elkealamar
  • vor 5 Tagen
  • 3 Min. Lesezeit

Es ist amtlich

Wie jetzt immer bin ich halb vier aufgewacht und um 5 aufgestanden. Ich weine meistens. Es ist nicht deutlich, ob ich Kontakt zur Inneren Stimme habe. Ja, ich höre gerade, sie ist bei mir. Aber die vielen Gedanken, die dann ein Gewirr bilden, übertünchen die Klarheit. Ehrlich gesagt wäre wohl alles andere auch sehr seltsam in der Situation. Natürlich bin ich durch den Wind. Ich wechsele abrupt von verwirrt in trauernd in sachlich-aktivistisch.

Geänderte Schlafens- und Wachzeiten.

Bisher war alles noch recht ordentlich bei mir, immer schön eins nach dem andern, erst Tatort reinigen, bevor das nächste beginnt. Jetzt beginnt es, zu verwischen. Ich musste einkaufen, obwohl der Kühlschrank noch nicht leergeräumt ist. Aber: Ich habe Jutta gebeten, für Filipi Anti- Floh und Zeckenzeug zu besorgen. Da muss ich mich nicht kümmern.

Da kann ich bei Jörg bleiben, solange ich will. Vielleicht eine Telefonweiterleitung? Ich will mir eine Tagestruktur überlegen, die mir gutes Essen und bei ihm sein ermöglich.

Seit gestern ist es amtlich - Josef hat entschieden, dass für Jörg eine weitere Behandlung, sprich Biopsie, nicht mehr gemacht wird. Morphin.

Am Samstag hat er das letzte Mal Essen genommen. Sonntag und Montag nicht die Augen geöffnet, nicht ansprechbar. Nur geatmet. Josef hat mehrfach gesagt, dass es sehr traurig wäre, und er lieber beim Tanzen mit uns zusammengetroffen wäre, oder so was Ähnliches. Und er hat dafür gesorgt, dass Jörg in die Palliativstation gekommen ist.

Aufs Sterben vorbereiten

Für mich ist das gut. Ich habe nicht begriffen und keine Vorstellung davon, was es bedeutet, dass Jörg jetzt für immer weg ist. Ich habe wie Anfälle, wo ein Stück Begreifen einsickert, und dann weine ich. Am schlimmsten, am schwersten fällt mir, Jörg und Henry zusammen zu denken. Da heule ich sofort auf. Genau wie meinem Vater es zu sagen. Bei dieser Vorstellung breche ich auch in Tränen aus, und ich würde sagen, dass ich dann ein Mädchen und sein Vater bin, dem sie was Trauriges erzählt und von ihm halt will. Bei Mutti war ich gestern auch mal ne Weile, wollte aber dann doch lieber zu Jörg zurück.

Franzi kam, und hat mir die Erinnerungskiste gebracht. Maria und ich haben Jörgs rechte Hand mit Farbe bestrichen und den Abdruck auf eine Folie gedrückt. Für Henry später.

Mit dem Haus - wenn sie es gern haben will, möchte ich es nicht am Geld scheitern lassen. Lieber, dass ich die Leute mag und evtl. zusehen kann, dass es sich entwickelt. Was daran hängt von meinem Herz ist doch, wie Vati alles aufgebaut hat mit seinen teils begrenzten Möglichkeiten "keine Halbheiten" zu produzieren. Sein damals noch intakter Geist ist es, was mich berührt. Den Kyffhäuser kann ich auch vom Feld aus angucken.

Was ist heute wichtig?

Anrufen, wie die Nacht war, einschätzen, ob ich vor Mittag hinwill. Nur wenn Anlass ist.

Ansonsten Frühsport und Essen machen , für Mittag und Abend. Den Kühlschrank leeren von überalterten Lebensmitteln. Okay, das kann ich mir alles überlegen, während ich Frühstücke. das behalte ich erstmal so bei. Stelle auch neuen Joghurt her. Bis ich was ändern will. Jörgs Zeug bleibt auch erstmal so liegen. Ob ich Kevin frage, ob er sich verabschieden will? Ja, sagt sie, das solltest du tun. Entscheiden wird er. Und die Konsequenz tragen. Müssen. Wie alle für alles.

Ach Mensch.

PS-Palliativ

Wir hatten überlegt, Jörg nach Hause zu holen und mit Hilfe hier zu versorgen. Es war Maria wichtig, und ich kann mir sowieso nichts vorstellen. Maria hat sich von der Schwester überzeugen lassen, scheinbar. Ich bin deshalb froh, weil für mich das Umlagern ganz ganz schwer zu ertragen ist. Der massige Körper, schlapp, die Augen wie tot, leider muss ich es sagen, in die Gegend stieren, ohne dass etwas ankommt, dass Jörg wie ein Objekt, ein Haufen Mensch rumgewuchtet wird. Grausam. Wäre es anders, wenn ich es selber täte? Die Kraft aufzubringen kann ich mir schon nicht vorstellen, aber selbst den Kopf zu platzieren, hinzulegen ganz sachte, da muss ich schon ganz viel mit ihm reden, um das zu können. Also, ich gebe es zu, diese Anblicke sind so grässlich für mich, dass ich es mir ersparen möchte. Zumindest heute. Obwohl, die Vorstellung reicht eigentlich, um entsetzt sein.... oh Mann .....


 
 
 

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